Wie füreinander gemacht: Blüte und Bestäuber

Vor 140 Millionen Jahren hatte die Evolution eine grandiose Idee:

Was bis dahin der Wind, das Wasser und der Zufall erledigt hatte, sollten die gerade neu entstandenen Krabbel- und Flügeltierchen übernehmen. Mit anderen Worten: Die Insektenbestäubung war erfunden.

Das war mindestens so revolutionär wie für uns Menschen die Entdeckung der Eisenverarbeitung oder der drahtlosen Kommunikation.

In der Folge veränderten sich die Fortpflanzungsorgane der Pflanzen. Neben Frucht- und Staubblättern entstanden jetzt auch bunte, sterile Blütenblätter und Nektardrüsen. Die Blüten entwickelten Düfte als Lockmittel. Je nach angepeiltem Helferlein riecht es süß nach Honig, streng wie reifer Käse oder für Menschen ekelhaft nach Kot und Verwesung.

Blüten leuchten im Dunkeln oder im UV-Licht, sie haben Einflugschneisen, Landeplätze und die weniger Netten von ihnen auch Reusenhaare und andere Fangvorrichtungen. Nicht alle Blütenbesucher überleben den Bestäubungsbesuch.

Freilich gibt es die meisten dieser fiesen Blumen im tropischen Regenwald, wie auch die allermeisten Insektenarten. Aber auch auf unseren Wiesen gibt es erstaunliche Blüten.

Der Wiesensalbei lockt mit seiner intensiv violetten Farbe besonders Bienen und Hummeln an, da diese weit in den UV-Bereich sehen können. Violette Blüten leuchten für sie geradezu wie eine Leuchtreklame. Blüten bieten auch wertvollen Treibstoff für Fluginsekten, den zuckerhaltigen Nektar. Eine Insektentankstelle also.

Der Gegenwert für diese Nahrung ist der Botendienst, den die Flügeltierchen unfreiwillig leisten: Blütenstaub von einer Pflanze zur nächsten tragen, damit die Samen gebildet werden und Inzucht vermieden wird.

Die Biene oder Hummel setzt sich auf die Unterlippe der Blüte und streckt ihren Rüssel in die Blütenröhre. Dabei löst sie einen Hebelmechanismus aus, der einem Schlagbaum gleicht und sich von oben auf den haarigen Rücken des Insektes senkt. Er streicht den Pollen dort ab.

Da die männlichen Blütenteile (Staubblätter) früher reif sind als die weiblichen (Stempel und Narbe), wird Selbstbefruchtung verhindert und der Pollen wird erst beim nächsten Blütenbesuch abgestreift.

Leider werden Wiesensalbei, Margeriten, Glockenblumen und andere Charakterarten nährstoffarmer, mäßig trockener Wiesen immer seltener. Häufiger Schnitt, intensive Düngung und andere Maßnahmen zur Ertragssteigerung führen zu einer Verarmung des Artenspektrums auf wenige Gräser und Verdichtungszeiger wie Löwenzahn.

Blühstreifen an Feldrainen, Straßenböschungen und in Privatgärten bieten daher wichtige Rückzugsgebiete und erfreuen das Auge, wie auch heuer wieder am Mittelstreifen der B1. Natürlich gibt es hier Kollisionen, wie immer im Bereich des Verkehrs, aber in Summe ist die Bilanz trotzdem positiv. Nur wo keine Insekten sind, bleibt die Windschutzscheibe auch im Sommer sauber.

Elisabeth Joas

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