Mehrheit im Gemeinderat gegen regionale Mitsprache und Berücksichtigung der wirtschaftlichen Komponente beim Bleiberecht

Mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ wurde eine Resolution der Grünen im Gemeinderat abgelehnt, die eine Berücksichtigung der regionalen Mitsprache und wirtschaftlichen  Komponente beim „Humanitären Bleiberecht“ fordert. Die ÖVP hatte in ihrer Zeitung bereits im Vorfeld gegen die Resolution polemisiert.

Integrationsreferentin Petra Wimmer erläuterte den rechtlichen Hintergrund für die Resolution und wies die Behauptungen im ÖVP-Artikel zurück. Hier die Stellungnahme von Petra Wimmer. Eine Antwort darauf seitens der ÖVP erfolgte nicht.

Stellungnahme von Integrationsreferentin Petra Wimmer im Gemeinderat:

Beim „der regionalen Mitsprache beim Bleiberecht“ scheint die Entscheidung schon gefallen zu sein, trotzdem gebe ich eine Erklärung dazu ab.

Wenn Menschen nach Österreich flüchten, wird zuerst festgestellt, ob Österreich für das Asylverfahren zuständig ist – oder ein Drittland.

Wird das inhaltliche Verfahren in Österreich eingeleitet, treffen Beamte des Bundesamtes für Fremdenrecht und Asyl die erste Entscheidung. Dieses Amt untersteht dem Innenministerium.

Gegen diese Entscheidungen kann Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben werden, was in den meisten Fällen auch getan wird. Dort entscheiden unabhängige Richterinnen und Richter über den Antrag und heben rund 42 % der negativen Erst-Entscheidungen wieder auf.

Für beide Instanzen gilt folgendes Vorgehen bei der Befragung:

  • Zuerst kommen Fragen nach einem Asylgrund laut der Genfer Flüchtlingskonvention, um festzustellen, ob eine begründete Furcht vor individueller Verfolgung gegeben ist. Ist das nicht der Fall, dann kommt es zu:
  • Fragen nach der Gefahr von unmenschlicher Behandlung im Heimatland und der Auseinandersetzung mit der Situation im Heimatland auf Grundlage von Länderberichten, um festzustellen, ob Subsidiärer Schutz gewährt werden muss. Ist das nicht der Fall, dann geht es weiter mit Fragen zur:
  • Lebenssituation in Österreich. Hier wird festgestellt, wie weit die Integration fortgeschritten ist, ob es ein schützenswertes Familien- und Privatleben gibt, ob Kinder hier aufgewachsen sind, welche Deutschkenntnisse vorliegen, ob die Person ein Bestandteil der Gesellschaft geworden ist,  ob sich Menschen als Schülerlotsen, Remuneranten, Vermittler, Dolmetscher oder in ehrenamtlicher oder sozialer Arbeit eingebracht haben und ob es im Heimatland noch Anknüpfungspunkte gibt.

Diese Fragen dienen dazu festzustellen, ob eine Rückkehrentscheidung zulässig ist oder nicht! Auch dieser Part ist Bestandteil des Asylverfahrens, und sofern auf Grund der fortgeschrittenen Integration eine Rückkehr unzulässig ist, wird dies als „Humanitäres Bleiberecht“ bezeichnet und bringt einen Aufenthaltstitel mit sich.

Genau um diesen bestehenden Frageteil des bestehenden Asylverfahrens geht es in der Resolution. Um nicht mehr und nicht weniger. Ein bereits bestehendes Vorgehen soll angepasst werden. Der Innenminister wird lediglich aufgefordert, Organe vor Ort einzubinden, die näher an den Menschen dran sind als eine Behörde in Wien.  Dazu werden Beispiele vorgeschlagen, wie man das umsetzen könnte. Und auch wirtschaftliche Komponenten könnten vor Ort besser berücksichtigt werden – Stichwort Fachkräftemangel.

Nach einem negativen Ausgang des Instanzenzugs gibt es die rechtliche Möglichkeit, einen Antrag auf eine Niederlassungsbewilligung zu stellen, sofern der Sachverhalt, also der Grad der Integration oder das Privat- und Familienleben, sich massiv verändert hat. Auch das ist kein Ignorieren von Entscheidungen, sondern ein geltendes Recht. Dieser Antrag beinhaltet also keinen Schutz vor Abschiebung.

Diese Fakten zum Asylverfahrens sollte man kennen, bevor man geschlossen gegen diese Resolution stimmt, die Aussagen in der ÖVP-Zeitung deuten allerdings nicht auf diese Kenntnisse hin.

„Die Vöcklabrucker Grünen wollen, dass bereits abgelehnte Asylwerber langfristig in Österreich bleiben dürfen“. (Zitat aus dem ÖVP Magazin „Standpunkte“, Ausgabe März 2019, Seite 2)

Bei dieser Aussage würde ich um Erklärung bitten, ab wann für die ÖVP Asylwerber als abgelehnt gelten, was mit langfristig gemeint ist und wo die Vöcklabrucker Grünen diese Aussage kundgetan hätten.

„Außerdem (also zusätzlich zum oben genannten) fordern sie, dass Gemeinden bei Abschiebungen mitentscheiden.“ (Zitat aus dem ÖVP Magazin „Standpunkte“, Ausgabe März 2019, Seite 2)

Ich erlaube mir das umzuformulieren in „die Vöcklabrucker Grünen wollen, dass bei der Analyse der Lebens- und Integrationssituation, welcher fixer Bestandteil des Verfahrens ist, den Gemeinden eine Mitsprachemöglichkeit eingeräumt wird. Und ist dann eine Rückkehr dauerhaft unzulässig, dann wollen die Vöcklabrucker Grünen dasselbe wie die Behörden, nämlich dass die Menschen dauerhaft in Österreich bleiben dürfen.

„Wer die Hilfe der Gemeinschaft braucht, soll sie auch bekommen” Umgekehrt bedeutet das: – Es braucht klare Antworten statt falscher Hoffnungen, wenn diese Schutzbedürftigkeit nicht vorhanden ist.“ (Zitat aus dem ÖVP Magazin „Standpunkte“, Ausgabe März 2019, Seite 2)

Auch beim sogenannten humanitären Bleiberecht geht es um etwas, das schützenswert ist, oder würden sie Ihr eigenes Familien- und Privatleben nicht als schützenswert bezeichnen? Und durch eine regionale Mitsprache ließen sich mehr klare Antworten schaffen, als es eine Behörde in Wien je könnte.

„Wenn österreichische Asylbehörden und Gerichte keine Grundlage für einen Aufenthalt in Österreich sehen, dann muss das auch auf Gemeindeebene klar vertreten werden“. (Zitat aus dem ÖVP Magazin „Standpunkte“, Ausgabe März 2019, Seite 2)

Selbstverständlich – und bei dieser Resolution geht es genau darum, die österreichischen Asylbehörden und Gerichte im Rahmen des Asylverfahrens mit Informationen vor Ort zu unterstützen.

„Wenn wir in einem Rechtsstaat leben wollen, müssen wir auch bei negativen Asyl-Entscheidungen konsequent sein.“ (Zitat aus dem ÖVP Magazin „Standpunkte“, Ausgabe März 2019, Seite 2)

Ergänzend dazu darf ich anmerken, wenn wir in einem Rechtsstaat leben wollen, müssen wir auch Anderen die Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten zuerkennen. Und wenn einem das Gefühl beschleicht, dass Recht langsam zu Unrecht wird, dann darf man in einem Rechtsstaat sogar dagegen auftreten.

„Die grüne Asyl-Resolution weckt falsche Hoffnungen.“ (Zitat aus dem ÖVP Magazin „Standpunkte“, Ausgabe März 2019, Seite 2)

Die Hoffnung, dass eine Rückkehr unzulässig ist, wenn die Gründe für Asyl oder subsidiären Schutz fehlen, besteht auch ohne die Grünen. Dank der zurzeit noch unabhängigen Rechtsberatung kennen betroffene Menschen diese rechtlich festgelegte Komponente und hoffen natürlich, dass diese auch zur Anwendung kommt.

Sich auf der einen Seite als Hüter der Gesetze zu inszenierten und auf der anderen Seite einen Umgang mit dieser sensiblen, juristischen Materie zu pflegen, welcher derartig viel Platz für Fehlinterpretation, Verallgemeinerungen und unvollständige Informationen beinhaltet, dürfte nicht einmal den eignen Ansprüchen genügen. Noch enttäuschender als eine mangelhafte Auseinandersetzung damit wäre ein bewusster Griff in die unterste Schublade hetzerisch-reduzierter Berichterstattung, welche nicht davor zurückschreckt, auch Hass und Angst gegenüber geflüchteten Menschen zu schüren.

Somit komme ich zum dem Antrag, den Bundesminister für Inneres aufzufordern, den Kriterienkatalog dahingehend anzupassen, damit Organe der Wohnsitzgemeinde Gehör finden, wenn es um die Integration vor Ort und die Interessen der örtlichen Wirtschaft geht.

Wimmer Petra

Integrationsreferentin, Gemeinderätin (Ausschuss für Kultur, Integration und Asyl)

„Die Bequemlichkeit überwinden und Verantwortung übernehmen.“

1 Gedanke zu „Mehrheit im Gemeinderat gegen regionale Mitsprache und Berücksichtigung der wirtschaftlichen Komponente beim Bleiberecht“

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